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Emmanuel Pilon: Chefkoch im Restaurant Louis XV - Alain Ducasse in Monaco

Published on Dezember 09, 2022Updated on Juli 11, 2023

Seit Mai 2022 bereichert ein neuer Chefkoch die Küche des Louis XV - Alain Ducasse à l'Hôtel de Paris mit seinem Talent und seiner Neugier. Voller Leidenschaft und Wissbegier erkundet Emmanuel Pilon die tausend Facetten des Mittelmeerraums und pflegt dabei stets einen respektvollen und wertschätzenden Umgang mit guten Produkten. Mit gerade einmal 35 Jahren verleiht er dem Grundsatz von François Blanc, dem Gründer von Monte-Carlo Société des Bains de Mer, eine neue Bedeutung: „Alles ändern, damit nichts sich ändert“. Eine Begegnung.

Ihr Vater stammte aus Lyon und war selbst Gastronom. War es für Sie somit nur folgerichtig, selbst einmal Koch zu werden?

Emmanuel Pilon: Vor allem war es leicht, da dieser Beruf für mich sehr zugänglich war. Ich habe viel mit meinem Vater zusammengearbeitet. Allerdings war dies keineswegs der Beruf, den ich mir für mich vorstellen konnte. Die Leidenschaft erfüllte mich erst nach und nach, immer beflügelt durch Begegnungen.

Wie kommt man von einer regionalen Küche zur Küche der Natürlichkeit?

E.P.: Dies erfolgt in mehreren Schritten. Ich begann meinen Weg in Lyon bei Christian Têtedoie mit einer traditionellen französischen Küche. Anschließend arbeitete ich im Villa Florentine, wo ein stärker technisch orientierter Ansatz gepflegt wurde. Chefkoch Tissot empfahl mir den Wechsel ins Louis XV, um dort die Arbeit mit dem Produkt an sich zu erlernen. Schließlich musste ich nach Paris, den Ort des Geschehens. Das Projekt der Naturalité startete sodann 2015 im Plaza Athénée. Es war eine unglaubliche Erfahrung, ganz von vorn anzufangen und alles selbst zu gestalten.

Emmanuel Pilon: „Der Teller muss eine Spielwiese sein“
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Naturalité in wenigen Worten?

E.P.: Es handelt sich um eine Philosophie; eine Denkweise, die jeder sich aneignen kann. Für mich bedeutet es den respektvollen und wertschätzenden Umgang mit Produkt, Jahreszeiten und Erzeugern. Die Verfeinerung des Produkts durch kunstvolles Würzen mit weniger Salz und Fett, dafür aber mit mehr pflanzlichen Zutaten ... Es geht darum, an der Ausgewogenheit zu arbeiten.

Steckt in Ihrer Küche noch etwas von der traditionellen französischen Gastronomie?

E.P.: Man wächst mit allen seinen Erfahrungen. Nur so erschafft man sich in der Küche seine eigene Persönlichkeit. Alle meine Erfahrungen mit den verschiedenen Köchen haben mich bereichert und sind nunmehr ein Teil von mir. Also ja, diese Küche ist im raffiniertesten Geschmack meiner Gerichte präsent. Genau aus diesem Grund möchten meine Gäste den zweiten, dritten, vierten Löffel nehmen ...

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Ihr beruflicher Werdegang ist mit den Lokalen des Kochs Alain Ducasse verknüpft: Was hat er Ihnen mitgegeben?

E.P.: Als ich 2009 im Louis XV anfing, entdeckte ich unglaubliche Produkte, die ich vorher noch nie gesehen hatte. Man lehrte mich einen wertschätzenden Umgang mit den Produkten, der Zubereitung, dem Würzen und den Temperaturen: die DNA von Alain Ducasse. Der Chefkoch sorgt dafür, dass wir uns ständig weiterentwickeln und uns auch außerhalb der gewohnten Pfade bewegen. Darin liegt seine Stärke.

Sie kehrten im Mai 2022 nach Monaco zurück, um die Leitung der Küche des Louis XV zu übernehmen: Wie lassen Sie Ihre eigene Handschrift einfließen?

E.P.: Wir haben uns von dieser Küche der Natürlichkeit inspirieren lassen, um die pflanzliche Komponente weiter zu verstärken. Die Aromen sind intensiver, die Sude eher pflanzlich und das Anrichten auf den Tellern gestaltet sich möglicherweise etwas roher. Wir befinden uns in einem Entwicklungsprozess hin zu einer kreativeren und pflanzlicheren Küche.

Ist das ein Risiko?

E.P.: Wir bieten Geschmacksrichtungen an, die unsere Gäste möglicherweise nicht kennen. Meine Idee ist es, dass jeder Löffel Spaß macht und jeder Bissen anders ist. Es muss Überraschungen geben und im Mund muss einiges passieren! Ein Teller, der sofort alles preisgibt, entspricht überhaupt nicht meiner Art, die Dinge zu sehen. Der Teller muss sowohl für den Gast als auch für mich eine Spielwiese sein.

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Sie sprachen von Überraschungen?

E.P.: Getrocknete Steinpilze, Seeigel mit getoastetem Brot, Garnelen und Strandkrabbe ... Die Philosophie der Naturalité bedeutet auch die Nähe zu unseren Erzeugern. Wenn sie ein neues Produkt haben, dann bieten sie es uns an. Auch wenn es gerade nicht auf der Karte steht, nehme ich es und amüsiere mich damit!

Ist es wichtig, weiterhin Spaß am Kochen zu haben?

E.P.: Das ist äußerst wichtig! Genau das treibt mich an und genau das bereichert unsere Geschmackspalette. Die Rolle des Chefkochs ist es, offen zu bleiben und alles, was um einen herum passiert, im Auge zu behalten. Ein neugieriger Koch wird schneller wachsen und weiterkommen.

Findet man auf der Speisekarte auch die bekannten Gerichte des Louis XV?

E.P.: Wir befinden uns in einem Prozess der Weiterentwicklung der Gerichte im Sinne einer saisonalen Ausrichtung und der Natürlichkeit. Man findet also die unumgänglichen Gerichte, wie die Primeurs des Jardins de Provence mit schwarzem Trüffel, jedoch in einer neuen Interpretation.

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Zu den neuen Geschmacksrichtungen des Louis XV zählen ...

  • Gestreifter Kürbis aus Ligurien, würzige Hagebutte und Kefir, in der Pfanne gebratene Seeanemone von Olivier Bardoux: „Die Seeanemone wird in Saint-Raphaël gefischt.“
  • Über Feuer zubereitetes Milchlamm aus den Pyrenäen, Einkorn aus Sainte-Jalle, zerstoßene Schlehen, mit Getreide aufgegossener Bratenfond: „Das Milchlamm wird ganz allein auf einem Teller mit einem Gewürz serviert. Für den Sud bieten wir eine Getreidebouillon an. Wir haben die Proteinmenge im Fond reduziert.“

Mit Champignons geschmortes Topinamburmark, Pfifferlingstapenade, Kiefernnadeln: „Das Produkt wird in der Art von Gnocchis zubereitet, mit einem Pilzragout, gebratenem Topinambur und einem Pesto aus Kiefernnadeln, das für eine minzige Note sorgt. Ein fettfreies Gericht, das zu 100 % pflanzlich ist.“

Die Rolle des Chefkochs ist es, offen zu bleiben und alles, was um einen herum passiert, im Auge zu behalten. Ein neugieriger Koch wird schneller wachsen und weiterkommen.

Haben Sie eine absolute Lieblingszutat?

E.P.: Neugier! Ich koche gerne mit Pfeffer und Zitrusfrüchten. Aber eine absolute Lieblingszutat habe ich nicht. Mich interessiert einfach alles. Daher wechselt die Speisekarte jede Woche, je nachdem, was auf den Märkten in Nizza, Ventimiglia oder Monaco angeboten wird.

Wie haben Sie Ihre Beziehung zu den Lieferanten aufgebaut?

E.P.: Die Beziehung zu den angestammten Lieferanten des Restaurants bestand bereits. Mit der Zeit und im Gespräch erkläre ich, dass ich auf der Suche nach wilden Produkten bin, etwa ein bestimmtes Kraut oder eine bestimmte Pfeffersorte ... Damit bringen wir unsere Lieferanten auch an ihre Grenzen, indem wir nach anderen Produkten suchen, die vorher gar nicht oder nur wenig verzehrt wurden.

Zum Beispiel?

E.P.: Algen, Seegras, Wildkräuter ...Sauerampfer zum Beispiel oder wilder Rucola, Seegurke oder aber Anemone. Ich ermutige die Lieferanten, mir neue Produkte zu zeigen. Das schafft eine gewisse Dynamik: Wir interessieren uns für ihre Arbeit, und das spornt uns in der Küche an. Die Beschäftigung mit den Zutaten erfolgt dann mit meinem Team.

 

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Sie sind sehr jung und haben bereits einen Spitzenplatz erobert. Wie haben Sie sich gefühlt, als Ihnen diese Stelle angeboten wurde?

E.P.: In diesem Moment gingen mir viele Dinge durch den Kopf. Vor allem aber Stolz auf das Vertrauen, das Chefkoch Ducasse mir entgegengebrachte. Er ist ein echter Coach und kennt uns alle. Er weiß, wie jeder Einzelne funktioniert, und kann die richtige Person zur richtigen Zeit am richtigen Ort einsetzen.

Fühlen Sie sich heute am richtigen Ort?

E.P.: Ich werde alles dafür tun, ja. Ich glaube, dass nichts zufällig geschieht. Wenn mir der Chefkoch die Stelle zu diesem Zeitpunkt angeboten hat, dann war es der richtige Zeitpunkt. Man muss die Dinge herausfordern.

Wenn man so jung einen Spitzenposten bekleidet, was kommt dann in Bezug auf den eigenen Werdegang als nächstes?

E.P.: Man kommt niemals an: Alles bleibt noch zu tun. Indem man sich das immer wieder bewusst macht, bleibt man mit den Füßen auf dem Boden. Letztliches Ziel ist es, immer Spaß zu haben. Solange wir Spaß haben, machen wir weiter.

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